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Erhöhter Blutdruck muss kein Bluthochdruck sein

Eine Behandlung von Bluthochdruck ist unterhalb einer gewissen Bemessungsgrenze nicht nur unnötig, sondern kann sogar Schaden anrichten.

Leitlinien sollen dafür sorgen, dass sich die Medizin an wissenschaftlich fundierten Parametern orientiert und es nicht zu Über- oder Unterversorgungen des Patienten kommt. Dass die für diese Leitlinien verantwortlichen Gremien je nach internationaler Region nicht immer einer Meinung sind, lässt sich am Beispiel Bluthochdruck beobachten. 2017 hat das American College of Cardiology seine Richtlinien bezüglich der Behandlung von Hypertonie erweitert und eine „Stage 1 Hypertension“ eingeführt. Dieser neue Stufe-1-Hochdruck empfiehlt bereits eine Behandlung bei Messwerten von 130 bis 139 mmHg / 80-89 mmHg. Die Richtlinien der European Society of Cardiology stufen diese Werte dagegen lediglich als einen erhöhten normalen Blutdruck ein und empfehlen keine medizinische Intervention.

Nun haben Forscher der Technischen Universität München und dem Helmholtz Zentrum München untersucht, ob die neue amerikanische Richtlinie einen Einfluss auf das Risiko hat, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Dazu arbeiteten die Wissenschaftler mit 12000 Datensätzen deutscher Patienten mit unterschiedlich starkem Bluthochdruck. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Risiko zu erkranken bei einem Hochdruck der amerikanischen Stufe 1 gegenüber normalem Blutdruck nicht signifikant erhöht ist. Da nachgewisen ist, dass selbst ein Großteil der Patienten mit sehr hohem Blutdruck auch nach ihrer Diagnose weiter an Bewegungsmangel leiden und/oder weiter rauchen, erwarten die Münchner Forscher auch nicht, dass sich Menschen durch die Einordnung in Stufe 1 zu einer gesünderen Lebensweise animieren ließen. Stattdessen stißen die Forscher auf ein anderes Phänomen. Bei Menschen, die wegen hohem Bluthochdruck in medizinischer Behandlung sind, treten wesentlich häufiger depressive Phasen auf als bei Unbehandelten. Die Forscher führen dies auf den sogenannten Labeling-Effekt zurück. Dieser besagt, dass Menschen, die als körperlich krank gelten, häufiger mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Vor diesem Hintergrund kann die amerikanische Stage-1-Hypertension sogar schädliche Auswirkungen für den Betroffenen haben.