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Fußballverletzungen hängen selten am Gegner

Der ehemalige Fußball-Fernsehexperte Günter Netzer hat bei seinen Verbal-Scharmützeln mit seinem "TV-Zwilling" Gerhard Delling oft und gerne mit seinem Image als "Stehgeiger" kokettiert, dass dem früheren Weltklassespieler anhaftet. Demnach war Netzer zu seiner aktiven Zeit für die genialen Pässe und Schüsse auf dem Rasen zuständig, die lauf- und zweikampfintensive Defensivarbeit überließ der Mittelfeldspieler, der in den siebziger Jahren für Borussia Mönchengladbach, Real Madrid und Grashoppers Zürich spielte, lieber den sogenannten "Wasserträgern".

Spielertypen wie Netzer, die sich selbst eher als Künstler denn als Arbeiter verstehen, sind im heutigen Fußball quasi ausgestorben, dafür ist das Spiel zu schnell und dynamisch geworden. Zwar ist die Strecke, die ein Kicker in den 90 Minuten eines Spiels durchschnittlich zurücklegt, mit zehn bis 14 Kilometern gegenüber den "glorreichen" Zeiten fast gleich geblieben, aber die bei gleicher Laufleistung an den Tag gelegte Intensität ist ungleich höher. Entsprechend ist heute der weit geringere Teil der auftretenden Verletzungen (12 bis 28 Prozent) ursächlich auf Foulspiele oder Zweikampfhärte zurückzuführen. Meist sind Verletzungen das Resultat von Über- bzw. Fehlbelastungen des Spielers (26 bis 59 Prozent). Im Mittelpunkt stehen dabei Knie- und Sprunggelenksverletzungen sowie Verletzungen des Fußes. Meist handelt sich um Kapsel-, Band- und Muskelverletzungen, auch Knochenbrüche und Verrenkungen treten häufiger auf. Dies geht aus einem Bericht der Medical Tribune über den Vortrag von Professor Dr. Jürgen Freiwald von der Sportwissenschaftlichen Bergischen Universität Wuppertal beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie hervor.

Häufig treten Verletzungen als Folgeereignis einer vorangegangenen Blessur an gleicher Stelle auf. 25 Prozent aller Verletzungen von Fußballprofis sind auf eine solche Wiederholung zurückzuführen. Zusätzliche Verletzungsgefahr besteht, wenn ein Spieler mit Gelenkschmerzen in ein Spiel geht. Deshalb fordert Freiwald alle Trainer dazu auf, solche Symptome in ihren Überlegungen bei der Mannschaftsaufstellung und der Trainingsplanung verstärkt zu beachten. Dies gilt in besonderem Maße für ältere Spieler, die verletzungsanfälliger sind, als ihre jüngeren Kollegen. Interessant ist auch, dass Verletzungen laut Professor Freiwald deutlich häufiger während eines Spiels als im Training auftreten. Besonders in der letzte Viertelstunde beider Halbzeiten steigt das Risiko für die genannten Verletzungen. Bezogen auf die Trainingsgestaltung und -Planung fordert der Sportmediziner dazu auf, Regenerationsphasen noch besser zu integrieren und diesen einen gleichwertigen Platz neben der Technik- und Taktikschulung der Spieler einzuräumen.